In Schmittens Zeichnungen scheint dieser gewaltsame Akt im Menschen selbst in Erscheinung zu treten. Was geschieht, wenn sich der Drang nach Zerstörung von innen nach außen kehrt, erzählt der Künstler in den paradoxen Bildgeschichten der Serie „Nothing New“. In der typischen Bildsprache von Comics entwirft Schmitten in diesen Zeichnungen unwirkliche Szenen des Menschen im Taumel der Zeit. So demoliert der Gast eines Einkaufszentrums das Innere eines gemauerten Aufzugs. Wie einen Vorhang zieht er dann eine Putzschicht beiseite und versteckt sich dahinter als sei nichts geschehen. In einem Schnellrestaurant setzen sich Jugendliche an einen Tisch, den sie anschließend mit langen Handsägen zerkleinern. Wie die Figuren in dem berühmten Gemälde „Der Tanz“ von Henri Matisse treffen sich zwei Gruppen von Menschen zum Reigen in einer von Wildwuchs befallenen Ruinenstadt. Während die eine die Skulptur der Siegesgöttin Nike umtanzt, feiert die andere ein rostendes Autowrack.
In all diesen Bildern vermitteln die gleichgültigen Gesichtszüge der dargestellten Personen eine irritierend kühle Distanz. Sie sind nicht in Einklang zu bringen mit den Räumen und Situationen, in denen sie wirken, denken und handeln. Normalität und Anomalie, Individuum und Gesellschaft oder Logik und Irrationalität markieren nur einige Themenfelder, die Schmitten in den farbenfrohen Sequenzen von „Nothing New“ verhandelt. Ob sie das Bild einer utopischen oder dystopischen Zukunft entwerfen, lässt sich dabei nicht immer klar bestimmen. Oberfläche und Effekt – es ist die spannungsvolle Beziehung zwischen Realität und ihrer Interpretation im Schatten von Wirtschaft, Religion, Politik oder Popkultur, für die Andreas Schmitten einzigartige Bildmetaphern entwickelt.
Abb.: Andreas Schmitten, Ohne Titel, 2016, Pigmentstift, Pigmentdruck, Acryllack, Buntstift auf Papier, 38 x 25,5 cm, Foto: Andreas Fechner