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Vitrine im Hentrichhaus

JURGEN OTS

Magnets

Ab dem 8. November 2024 wird die Vitrine im Hentrichhaus neu bespielt: Der in Brüssel lebende Künstler Jurgen Ots zeigt seine Installation „Magnets“.

Das Motiv der Ausstellung “Magnets” von Jurgen Ots im Künstlerverein Malkasten zeigt ein perforiertes Stück Papier mit zwei Linien, die einem Rhythmus aus Höhen und Tiefen folgen, und mit einen seltsamen Haufen von Bildern mit lächelnden Menschen. Die Bilder überlagern sich, als wenn wir beim Öffnen von Bildern auf einem Computer herumhantieren würden. Hier sind es analoge Bilder und ein undurchsichtiges Rechensystem. Der ungeordnete Output scheint sich der materiellen Anziehungskraft eines Magnetes zu verdanken und wird zu einem undurchschaubaren Algorithmus.

Das perforierte Stück Papier ist normalerweise die rechnerische Schnittstelle einer Drehorgel, deren Punkte und Löcher bestimmen, wann sich der Balg öffnet oder schließt. Es registriert die inneren Bewegungen und die anatomische Koordination und versetzt die Musik in einen kontinuierlichen Ablauf. Diese punktuelle Ordnung schafft ein System von Beziehungen zwischen verschiedenen Punkten auf derselben Partition und stellt ungefähre Verbindungen her.

Die Abzüge zeigen nummerierte fotografische Studien, die in einem wissenschaftlich-geradlinigen Aufbau durchgeführt wurden, um die Lichtverhältnisse und ihre Auswirkungen auf die Ausstellung der Objekte zu beobachten. In dieser klinischen Umgebung zu unklaren Zwecken – Marketing oder rein technisch – unter die Lupe genommen, erscheinen diese Objekte alle seltsam exponiert, doch ihre Rollen sind nicht definiert, als ob die Untersuchung immer mit einer Dosis Misstrauen einhergeht. In seiner Praxis ist Ots‘ Beziehung zu weggeworfenem Material – das fast ausschließlich von Brussels berühmtem Flohmarkt „Jeu de Balle“ stammt – selbst eine Untersuchung materieller Prozesse und der demiurgischen Selbstdarstellung des Menschseins als ständiger Agent der Transformation.

Für eine frühere Ausstellung in Basel stellte der Künstler beispielsweise ein Farbtheoriebuch aus, das eine Vielzahl chemischer Umwandlungen von Kohle in Farbstoffe beschreibt: ein vergangener Prozess der Farbherstellung. In „Magnets“ verbindet der Künstler durch die Kombination der vorgefundenen Fotostudien und seinen Zeichnungen verschiedene Kommunikations- und Ausdrucksformen zu einer neuen kosmologischen Ordnung.

Dieser dioramische Blick auf ein Universum besteht auf einer Erweiterung der Möglichkeiten, einer neuen Ordnung, die auch eine Antwort ist: Wenn die Fotografie heute ein Medium ist, das am Rande des Aussterbens steht, dann ist die Selbsthistorisierung von Jurgen Ots – wie sein Fundort im Brüsseler „Jeu de Balle“ ein Portal zu veralteten Zeiten ist – seine eigene durchlöcherte Melodie gegen die algorithmische Vorherrschaft in der heutigen Bilderzeugung, die die ausgestellte Studie zu einem Generator von Formen und Wissen macht.  (Text: Paolo Baggi)

 

Abb. Jurgen Ots, Installation, Fundstücke aus dem Archiv und Permanentmarker auf Transparent, angepasst an den Ausstellungsraum © the artist